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Zur Bedeutung der Gestaltung der Glasfront der Friedhofkapelle
Fürstenwald in Chur
In Leta Peers Arbeit treten mehrere Bild- und Bedeutungsebenen in einen
Dialog. In der bewusst für die Kapelle Fürstenwald gewählten
Ikonographie begegnen sich verschiedene Kulturräume, verschiedene
Religionen. Die Gestaltung der Glasfront ist so aufgebaut, dass die "Meeresmadonna"
von Sandro Botticelli als tragende Komposition erscheint: die Figur aus
der christlichen Ikonographie umrahmt die anderen Motive und wird so zum
wichtigsten Bedeutungsträger .
Bewusst wählte die Künstlerin einen symmetrischen Aufbau für
die Darstellung der anderen Weltreligionen, die visuell von der "Meeresmadonna"
getragen werden. Das visuelle Zentrum der Gestaltung ist geprägt
durch einen Negativraum, der die Struktur eines jüdischen Kerzenstanders
aufweist. In diesem Negativraum befindet sich ein Motiv aus dem indischen
Kulturraum. Der "Nachdenkliche Jüngling" aus dem 2. / 3.
Jahrhundert steht für die Welt, der Buddha begegnet ist. Der "Reichtumsgott
Kubera", ein hinduistisches Motiv aus dem 9. Jahrhundert begegnet
dem Fayence-Mosaik aus dem Königssaal der Alhambra. Im Bereich der
islamisch-hinduistischen Religionen taucht wieder ein Negativraum auf:
der Abschluss einer griechischen Säule wächst ins Bild hinein
und verweist auf andere, im Glasfenster nicht erwähnte Religionen
der Erde, in denen mehrere Gottheiten verehrt werden.
Der formale Aspekt spielt eine wichtige Rolle in Leta Peers künstlerischer
Arbeit. Das Nebeneinander und Uebereinander verschiedener Bildmotive ermöglicht
Assoziationen und Vergleiche. Der lateinische Text "Omnia Cui Cedunt,
Divino Cedat Amori", d.h. "Was uns widerfährt im Leben,
widerfährt in der Liebe auch den Göttern" ist eine Anspielung
auf den Tod, die in den verschiedenen Religionen aber auch mit Trost in
Verbindung gebracht wird. Der kleingeschriebene Titel dieses Glasfensters
befindet sich unten rechts, am Rand der Komposition.
Hedy Graber, Kunsthistorikerin und Kunstkritikerin Basel
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