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Düsseldorfer Hefte, Mai 2008, 53. Jahrgang, Seite 48 Erinnerungsbilder, Konzepte Die Schweizer Malerin Leta Peer lotet das Potential vertrauter Motive aus In den Malereien von Leta Peer scheint alles klar. Seit 1999/2000 entstehen in Ausschließlichkeit Darstellungen von Gebirgen und Blumenfeldern und Landschaften. Mitunter kehrt derselbe Berg in verschiedenen Ansichten wieder, das Panorama einer Gebirgskette scheint sich über die Darstellungen hinweg fortzusetzen. Die Berge wechseln zwischen kargem, schroffen Gestein und schneebedeckter weicher Kuppe. Sie sind das eine Mal an den unteren Bildrand gerückt und von Wolken dominiert, dann wieder lösen sie sich in Nebel auf. Sie bleiben selbst unberührt von jeder zeitlichen Bedingtheit; sie wirken auf Distanz gerückt und bewahren doch eine körperhafte Präsenz. Auf entsprechende Weise sind die Landschaften und die Wiesen mit Blumen gebannt; einzelne Blüten im Vordergrund besitzen eine greifbare Plastizität und zerfallen zugleich in reine Malerei, die Abfolge von Pinselstrichen. Gegeben in einem souveränen Realismus, sind derartige Motive aus sich heraus Topoi und mithin Klischees – wobei die Malerei von Leta Peer dies augenblicklich unterläuft: In der Ernsthaftigkeit des Malens tragen ihre Bilder einen hohen konzeptuellen Anteil. Natürlich klinkt sich Leta Peer, die 1964 in Winterthur geboren wurde und heute in Basel lebt, in die Geschichte des Erhabenen im allgemeinen und die Traditionen ihrer Sujets im besonderen ein und verhält sich mit ihrer Malerei doch zeitgenössisch und außerordentlich. Gegenläufig zu den Parametern heutiger Welt, zur Mobilität und der globalen medialen Verfügbarkeit, entschleunigt sie die Wahrnehmung. Sie widmet sich einigen wenigen, vermeintlich „verbrauchten“ Motiven, die sie in ein und derselben Region aufsucht und später im Atelier malerisch festhält. Ort ist das Unterengadin, in dem sie aufgewachsen ist und das sie nun, zwischen der Nahsicht auf die Wiesen und dem Fernblick auf die Alpenketten geradezu kartographiert. Die Berge umfangen das Tal, dieses ist gewissermaßen noch im Off – als Standpunkt der Malerin – gegenwärtig. Allgemeingültigkeit und Typik gehen mit privater Identität einher: Heimat erweist sich als ein zentrales Thema bei Leta Peer – und dazu entdeckt sie die hehren Ikonen sentimentaler Wertschätzung, die tausendfach reproduzierten Postkartenmotive neu. Anhand von Kleinformaten, die unter 20 cm Länge bleiben, hat sie dies subtil noch ad absurdum geführt: schon indem das riesige dreidimensionale Sujet auf eine winzige Fläche gesetzt ist. An den Seiten sind diese Holztafeln mit Gold gestrichen, wobei z.T. die Ecken gerundet sind: Das eine Mal denkt man an exquisite Pralinenschachteln. Dann wieder, bei leichten Hochformaten, bei denen nur die oberen Ecken gebogen sind, werden die typischen Fenster im Unterengadin zitiert. Das Verhältnis von Innen und Außen wird angesprochen, die Beengtheit hat die grenzenlose Weite vor sich, die Fokussierung weist noch auf ein “Anderes”, Ungenormtes jenseits des Ausschnitts. All das kennzeichnet nun auch Leta Peers Fotoarbeiten, die parallel zur „reinen“ Malerei entstehen. Sie verstehen sich aus einem installativen Impetus, als Versuch einer weiteren Erprobung der Bilder, und mithin als Fortsetzung der Malerei und ihrer Fragen mit anderen Mitteln. Hatte sie in den 1990er-Jahren mehrere winzige Malereien kurzzeitig im öffentlichen Raum angebracht und damit noch eine subversive Handlung dokumentiert, so hat sie später die spezifischen Orte für sich fotografiert und in die Aufnahmen ihre Malereien digital eingesetzt. Für ihre aktuelle Serie von Fotoarbeiten, die „Mirrors”, hat sie jetzt zusätzliche Verfahren der Hervorhebung und Objektivierung eingeführt. Ausgangspunkt sind fünf Fotografien ihres verstorbenen Bruders, die den Weg durch das Heimatdorf mit der Landschaft und den Gebäuden beschreiben und gewissermaßen den Abschied vorwegnehmen. Nach diesen Aufnahmen hat Leta Peer mittelformatige Malereien angefertigt, die Serie „Along with Simon”. Diese Malereien wiederum hat sie digital in luxuriöse Rahmen eingefügt und in die dafür erstellten fotografischen Aufnahmen eines vernutzten Innenraumes integriert, als wären sie dort befindlich. Das fotografisch erfasste nüchterne Interieur wird also mit der malerischen Schwerelosigkeit des (beseelten) Außenraums konfrontiert und aufgehoben. Die Malerei erweist sich – auch hier – als existentielle Bewusstwerdung und tröstliche Erkenntnis, dass alle Biographie uns ein Leben lang begleitet. Thomas Hirsch Leta Peer bis 7.Juni 2008
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